»Der gute Bruder Teiresius war immer schon etwas eigen, wenn auch bemerkenswert talentiert. Eigentlich war sein Name Axmar und er wurde als Sohn eines Holzfällers aus der Gegend um Andinas geboren, aber einem jungen Læktor dort fiel schon früh die Intelligenz des Jungen ins Auge und so sandte er ihn zu uns, wo er den Namen eines doch recht obskuren, vor sieben Jahrhunderten verstorbenen Kommentators kolonialer religiöser und philosophischer Textfragmente annahm. Koloniale Geschichte faszinierte ihn von Beginn an und das Entziffern, Übersetzen und Restaurieren der antiken Quellen ging ihm so leicht von der Hand, dass wir ihm bald ohne Argwohn Zugang zu den prä-kolonialen und imperialen Archiven erlaubten. Das war wohl der entscheidende Fehler und ich bin bereit, dafür die alleinige Verantwortung zu tragen. Den Abt trifft gewiss keine Schuld! Jedenfalls erschien es uns bloß skurril, als er diese Begeisterung für einen Satz fragwürdiger Schriften entwickelte, in denen Andeutungen über eine Art Machina erscheinen, die er als Beweis ansah, dass im Imperium zur Zeit der Kolonie einige Einheiten oder Personen über Transportmittel verfügten, die auf wundersame Weise fähig waren, die Wolken zu durchqueren wie ein Schiff die Wellen des Meeres! Leider wuchs seine Faszination zur Besessenheit und er meldete sich freiwillig für beschwerliche Reisen zu fernen Städten und Klöstern, um dort bei Archivarbeiten und Übersetzungen zu helfen – nur, um so Zugriff auf immer seltenere Texte zu erhalten. Den Aussagen seiner wenigen Freunde nach, sprach er zuletzt immer öfter von Hinweisen auf eine Art besonderen Reisenden, einen sehr reichen Adligen oder gar Boten einer imaginären ›Geheimpolizei‹ des Imperators, der einen solchen Wolkensegler zu seiner Verfügung hatte – und vielleicht in den Unruhen am Ende der Kolonialzeit starb, ohne dieses Wunderding aus seiner verborgenen Anlegestelle zur Flucht nutzen zu können! Der Abt hatte davon aber keine Kenntnis und wahrscheinlich gehofft, diese jüngste Reise zu den tapferen Missionaren auf den Ogyden sei ein Zeichen, dass Teiresius sich nun mehr der Zukunft zuwenden würde, aber wie wir ja alle gelesen haben, ging es ihm wohl nur um die Ruine im kultischen Hain der Eingeborenen, die Læktor Varenhard in einigen seiner Briefe erwähnt hatte. Wir wissen natürlich gegenwärtig nicht, was Teiresius dort fand oder ob er auch nur die augenscheinliche Zerstörung der Ruine überlebt hat, aber ich gedenke, so zumindest die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass er dort wirklich fand, wonach er gesucht hat, und die Machina ihm vielleicht sogar zu Diensten war! Eine Expedition zu den Ogyden empfehle ich daher dringend, egal, wie diese Untersuchung endet. Man bedenke nur die möglichen Folgen, sollte Teiresius am Ende gar mit diesem Wunderwerk das alte Imperium erreichen!«
Læktor Nikalas von Jert, Erster Übersetzer und stellvertretender Leiter des Kopistenklosters von Nirwalt auf Anghold, in einer Anhörung durch Zaetor Brasilis Dron
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