Die Fragmente

Malmsturm – Die Fragmente: Mahnhölzer und Seelenbäume – Bestattungsriten des Nordens

Stimmen aus dem Norden

So nehmt einen Scheit Holz – von einem Baum so tot wie ich.
So spaltet das Holz – so wie auch wir gespalten sind.
So weint über dem Holz – so wie ihr über mich weint.
So schmückt das Holz – so wie ihr mich geschmückt habt.
So lasst das Holz in die Ferne reisen – so wie ich in die Ferne gereist bin.

Die fünffache Rede vom Mahnholz

 

Stirbt im Norden ein Freund oder Familienmitglied, so wird oft ein Mahnholz angefertigt und den Strömungen des nächsten großen Gewässers übergeben. Da dieser uralte Brauch der Mahnhölzer aber nur an den Ufern des Nebelmeeres und entlang einiger großer Flüsse allgemein bekannt ist, halten viele die Ladchoum für die Urheber und Verbreiter dieser Sitte. Die meisten Gelehrten sehen den Ursprung der Mahnhölzer jedoch in den Tagen des Bhaltarischen Reiches, denn ihrer Meinung nach könnte nur so erklärt werden, warum die traditionelle Bemalung der Hölzer so große Ähnlichkeit mit bhaltarischen Runen hat. Eben diese Bemalung ist aber keineswegs überall gleich – genauso wenig wie die übrigen Elemente dieses Brauchs. So ist es im Westen üblich, den bemalten halbierten Holzscheit auch noch etwas auszuhöhlen, um in diese Vertiefung kleine Andenken oder Schmuckstücke des Toten zu legen. Am Nordufer des Nebelmeeres werden hingegen sehr große Mahnhölzer angefertigt, die häufig genug Platz für ganze Versepen über das Leben des Verstorbenen bieten – so viel Platz, dass manche dieser Mahnhölzer an kleine Einbäume denken lassen! In Svinsager werden meist kleine Lederbeutel mit haltbaren Leckereien wie Trockenobst und Dörrfleisch an die Mahnhölzer gebunden, was wohl dem Toten als „Wegzehrung“ dienen soll. Weiter östlich wiederum – insbesondere in der Thumimbe – werden die Mahnhölzer gern zu kleinen Schiffchen, manchmal sogar mit kleinen Segeln oder winzigen Rudern, umgebaut. Überall im Norden begegnet man allerdings einem, etwa als Treibgut aufgefundenen Mahnholz mit großem Respekt, manchmal sogar mit Furcht. Denn es wird erzählt, dass besonders langlebige und haltbare Mahnhölzer Wind und Wetter nur deshalb so lange trotzen, weil sich in ihnen ein ungestilltes Verlangen nach Rache für einen unnatürlichen Tod manifestiert hat. Ein Verlangen, das auf jeden übergehen kann, der solch ein Mahnholz berührt…

 

 

 

 

 

Stimmen aus dem Norden

„…bilde dir bloß nicht ein, dieser Rachwahn könne nur auf Menschen übergehen! Ein alter Freund meines Vetters behauptete immer, er würde von einem blutrünstigen Nebelaal verfolgt. Natürlich hat ihm niemand geglaubt, aber als er eines Abends am Strand von einem riesigen Aal gepackt und ins Wasser gezerrt wurde, da kam jede Hilfe seiner Schiffskameraden zu spät. Sie konnten den Nebelaal zwar noch erschlagen, aber da war sein Opfer schon ertrunken – und im Magen der Bestie fanden sie ein wie neu aussehendes Mahnholz. Ein Mahnholz, an dem noch der Ring des Mannes hing, den besagter Freund meines Vetters drei Jahre zuvor in Nidbaerg erwürgt hatte!“

Ukald der Zahnlose, ehemaliger Eispirat, in einer Taverne in Svinsager

 

 

Anders als Mahnhölzer sind Seelenbäume ein sehr seltenes Phänomen im Norden – so selten, dass einige sogar glauben, es handele sich dabei um bloße Gerüchte und Legenden. Sicher ist aber zumindest, dass viele Clans der Pandharen und Thraskiten an Seelenbäume glauben und dementsprechend einige ihrer Toten bestatten. Denn diesem Glauben nach sollen besonders ungewöhnlich gewachsene oder alte Bäume die Kraft haben, die Seelen von Menschen in sich aufzunehmen und ihnen über Jahrhunderte hinweg Ausdruck zu verleihen. Finden diese Clans solche Bäume, die noch „frei“ sind, so markieren sie diese und bestatten später besonders hochgeschätzte Mitglieder des Clans zwischen deren Wurzeln. Von da ab ist der Seelenbaum ein heiliges Mitglied des Clans und einmal im Jahr trifft sich der Clan an solchen Bäumen, damit ihr Rat und Wille im Traum über die Mitglieder des Clans kommen kann. Einige Geschichten erzählen aber auch von „wilden“ Seelenbäumen. Dies sind meist Bäume, die in der Nähe großer Kämpfe oder heimtückischer Morde von den Seelen der gefallenen Krieger oder Mordopfer beseelt wurden – aber es soll auch Kindsbäume, also Bäume in denen die Seelen in der Wildnis verirrter Kinder weiterleben, und Selbstmörderbäume geben. Solche Bäume sind zwar in einigen Sagen manchmal hilfreich und gutwillig, aber dennoch gelten sie allgemein als unheimlich und unheilbringend. Eine recht bekannte Legende erzählt sogar von einem Wald, der ausschließlich aus Seelenbäumen bestand und in den ein mächtiger Seyder eine Horde ruheloser Geister scheuchte, welche prompt von den Bäumen Besitz ergriff…

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