Die Fragmente

Malmsturm – Die Fragmente: Freisiedler und Dorfsammler – die Schuldkolonien des Nordens

Aus den bescheidenen Anfängen der Liga vor nunmehr über zwei Jahrhunderten, als es nur um ein informelles Abkommen zwischen drei wohlhabenden Kaufleuten aus Faensal ging, wuchs bis heute – vor allem innerhalb des letzten halben Jahrhunderts – eine der mächtigsten politischen Kräfte des Nordens. Dennoch gibt es fernab der fünf großen Städte immer noch weite Landstriche, in denen niemand bisher auch nur ein Gerücht über diese als Liga bezeichnete Allianz reicher Krämer zu Ohren gekommen ist. An den Ufern des Nebelmeeres und in den Gassen der Städte berühren die Geschäfte der Liga hingegen die Leben von immer mehr Menschen. Viele sehen dabei in der Liga zwar nur eine willkommene Quelle von Arbeit und Wohlstand, doch nach und nach steigt seit Jahrzehnten auch die Zahl derjenigen, die sich als Opfer und Beute der geschäftstüchtigen Händler und ihrer Handlanger wiederfinden. Dazu gehören nicht wenige, deren bescheidene Existenz als freier Handwerker oder Bauer aufgrund der ausgeklügelten Feinheiten einer Vereinbarung mit der Liga ein jähes Ende fand. Besonders die verschiedensten Arten des Geldverleihs, sowie die Gewohnheit der Liga auch die Raten beim „Abstottern“ einer Kaufsumme einer gewissen Verzinsung zu unterziehen, erwiesen sich diesbezüglich in den letzten zwanzig Jahren als fatal. Es kommt somit erwartungsgemäß immer wieder zu Handgreiflichkeiten zwischen Vertretern der Liga und zahlungsunfähigen Schuldnern, aber darüber kommt es gelegentlich auch zu größeren organisierten Reaktionen auf die Geschäftspraktiken der Liga.

Stimmen des Nordens

Ja, meinem Vetter haben sie damals die Schmiede, das Haus und das Vieh genommen – aber er und die seinen leben jetzt wieder in Ansehen und bescheidenem Wohlstand! Letzten Herbst erhielt ich den Brief, in dem er mir von dem kleinen Dorf im Iallerbrund berichtete, in dem er nun lebt – keine Liga, keine reichen Krämer, nur ehrliche Arbeit und fruchtbares Land ringsum! Ich sag dir: mit dem ersten Schiff im Frühling bin ich auch weg – egal, was die Frau sagt. Die Hütte wird verkauft und dann geht es gen Westen. Komm doch mit – was hast du hier schon zu verlieren?“

Rharsten Gulk, Kesselflickergehilfe aus Nidbaerg

Die beiden bekanntesten Ergebnisse derartiger Reaktionen sind im Verlauf der letzten Jahre zu regelrechten Volksbewegungen aufgestiegen. Sogenannte Freisiedler sind dabei kleine Gruppen von selten mehr als drei Dutzend Familien, die sich zusammen finden, nachdem sie allesamt Haus und Hof an die Liga verloren haben. Gemeinsam – und mit der Hilfe von Freunden und Verwandten – sammeln sie dann Ausrüstung, Werkzeug, Proviant und Saatgut, um damit in einem menschenleeren Flecken des Nordens eine neue Existenz zu gründen. Dazu versammeln sich die betroffenen Familien und einigen sich auf ein gemeinsames Ziel und eine Reiseroute. Ist dies geschehen, so schwören alle gemeinsam einen feierlichen Eid, gemeinsam der Umsetzung des gefassten Plans zu dienen und wenigstens fünf volle Winter hindurch in der neu begründeten Siedlung zu leben und zu arbeiten. Die Ähnlichkeit zu der viel älteren Tradition der Eidgaenger ist hier kein Zufall, da die ersten Freisiedler wohl allesamt Eidgaenger aus von der Liga ruinierten Familien waren. Ein Unterfangen wie das der Freisiedler wäre in der erbarmungslosen Natur des Nordens ohnehin schon voller Gefahren, aber die hohe Anzahl verschollener und getöteter Freisiedler liegt nicht zuletzt darin begründet, dass einerseits der schädliche Einfluss der Liga im Osten des Nebelmeeres besonders groß ist, das bevorzugte Siedlungsgebiet der Freisiedler aber in der fernen Wildnis von Iallerbrund liegt, wo angeblich menschenfressende Raubtiere, Trolle und lebende Tote ihr Unwesen treiben sollen! Gleichzeitig gilt dieses Land aber auch als fruchtbar, mit eher milden Wintern gesegnet und – besonders wichtig – frei von den Ansprüchen irgendwelcher Städte oder großer Stämme. In jüngster Zeit gibt es zwar sogar Gerüchte über monströse Bestien, die im Winter entlang der Westgrenze von Iallerbrund aus der legendären Eiswüste von Mhanala kamen und ganze neugegründete Dörfer dahin metzelten, aber den Eifer der Freisiedler, die in den Häfen des Nebelmeeres auf Passage gen Westen warten, konnte dies bisher wohl nicht bremsen…

Schriften des Nordens

kein Grund zur Beunruhigung. Die Aussetzung von Kopfprämien bei gleichzeitiger Bevorzugung sogenannter „Ausgestoßener“ (von Clan, Familie, Stamm, usw.) im Rahmen der Anwerbung der nötigen Kräfte verspricht außerdem die sonst drohenden Verluste durch Flucht der fraglichen Schuldner auf ein Minimum zu reduzieren. Man siehe dazu…

Text auf einem Pergamentfetzen neben der verstümmelten Leiche eines Kuriers der Liga

 

Neben den Freisiedlern haben im Kielwasser der Liga auch noch die sogenannten Dorfsammler in den letzten Jahren von sich reden gemacht. Diese sind selbst oft keine Opfer irgendwelcher Geldverleiher, sondern werben solche und ähnliche gescheiterten Existenzen – darunter angeblich auch durchaus immer mal wieder flüchtige Verbrecher – gezielt an, um mit ihnen irgendwo in der unberührten Natur des Nordens ein neues Dorf zu begründen. Häufig begnügen sich die jeweiligen Dorfsammler auch nicht damit, einfach irgendein Dorf zu gründen: vielmehr planen diese – meist sehr sprachgewandten und charismatischen Charaktere – in vielen Fällen die Erschaffung einer besonderen Mustergemeinschaft, um so gewissen Idealen besonderen Ausdruck zu verleihen. So gibt es Dorfsammlern, die für Siedlungen werben, in denen es keinerlei feste Partnerbeziehungen geben soll und alle Kinder gemeinsam erzogen werden. Es gibt aber auch solche, die Gemeinden von Kriegern und Jägern begründen wollen, die ausschließlich Gelehrte anwerben, die ohne persönlichen Besitz leben wollen, oder die von einer Siedlung träumen, in der alle lästige Arbeit von Magie und dienstbar gemachten Geistern verrichtet werden wird! Anders als bei den Freisiedlern scheint es unter den Dorfsammlern auch keine besonders beliebte Siedlungsregion zu geben – im Gegenteil: Dorfsammler rühmen sich oft, ein derart abgelegenes und idyllisches Gebiet für das geplante Dorf gefunden zu haben, dass sie den Weg dorthin und die genaue Lage um jeden Preis geheim halten müssen, damit keine böswilligen und neidischen Naturen den braven Siedlern zuvorkommen können. Die hohen Verlustraten, welche von den Dorfsammlern und insbesondere ihrem Gefolge berichtet werden, sind dann auch sehr wahrscheinlich weniger auf die natürlichen Gefahren des Nordens – wie etwa im Fall Iallerbrund – zurückzuführen, sondern dürften meist betrügerischen oder schlicht unfähigen oder verblendeten Dorfsammlern anzulasten sein, die ihre Anhänger in Unglück und Tod führen. Bei langen Reisen über das Nebelmeer droht außerdem sowohl Dorfsammlern wie auch Freisiedler mehr und mehr Gefahr durch Eispiraten, von denen manche sogar begonnen haben sollen, ihre Opfer an skrupellose Sklavenhändler zu verkaufen, welche die Fleischmärkte des Valgrind beliefern! Noch gefährlicher sind aber möglicherweise die seit kurzem auftauchenden Schuldjäger: vermummte Gestalten, die im Auftrag der Liga nach säumigen Schuldnern jagen, denen es womöglich gelang, einen Teil ihres Vermögens vor der Liga zu verbergen, oder die über Informationen verfügen, welche für die Liga buchstäblich bares Geld bedeuten. Schuldjäger, so wird erzählt, die ihre Beute innerhalb einer Gruppe Freisiedler oder im Gefolge eines Dorfsammlers entdecken, neigen dann dazu, ihren „Beifang“ schlicht abzuschlachten oder – falls die machbar erscheint – als Sklaven in Ketten, wie Vieh, zu den Fleischmärkten des Ostens zu treiben…

Mögliche Aspekte:

  • Der Weg nach Westen
  • Die Hoffnung stirbt zuletzt
  • Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

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