Rohrkriecher, auch Asselwürmer genannt, sind eine seltene, aber gefürchtete Plage in Elendsvierteln und sonstigen unteren Regionen der großen imperialen Städte. In Färbung und Größe ähneln sie gewöhnlichen Regenwürmern, doch bis auf die Unterseite ist ihr gesamter biegsamer Körper in einen vielfach segmentierten Chitinpanzer gehüllt. Ihre weiche, fast weiße Bauchseite wird hingegen von vielen Dutzend winziger fleischiger Füßchen getragen. Diese Gebilde sind hohl und beinhalten den überwiegenden Teil des Verdauungssystems eines jeden Rohrkriechers – ebenso wie seinen Geruchs- und Geschmackssinn. Rohrkriecher jahrzehntelang in der Kanalisation und den Abwasserrohren großer Städte überleben. Sie ernähren sich dort von allen Arten organischer Flüssigkeiten, ohne dabei jedoch nennenswert zu wachsen. Dies ändert sich erst, nachdem sie einen Menschen in ihrer Umgebung gewittert haben: dann versuchen sie langsam, aber zielstrebig, in Nase oder Ohren des potentiellen Wirtes einzudringen – ein Vorgang, der meist vom Wirt unbemerkt bleibt, da der Rohrkriecher währenddessen ein die Nerven betäubendes Sekret absondert. Einmal im Körper des Wirtes angekommen, arbeitet sich der Parasit dann im Verlauf einiger Wochen bis in die Schädelhöhle vor, wo er sich in der Hirnflüssigkeit niederlässt. Im Verlauf der nächsten Tage verwächst der Rohrkriecher mit dem Hirnstamm und beginnt damit, sich zu verpuppen. Ab jetzt beginnt sich das Verhalten des Wirts merklich zu verändern: zunächst steigen Appetit und Schlafbedürfnis, dann stumpft das Schmerzempfinden ab während der Wirt zeitgleich von quälender Wanderlust getrieben wird. Etwa ein Jahr später dann beginnt der Wirt zunehmend agoraphob und lichtscheu zu werden, so dass er sich bevorzugt in engen unterirdischen Räumen oder Höhlen aufhält. Dazu kommt bald ein Verlangen nach Abenteuern, Entdeckungen und Reichtum, welches selbst den scheuesten Bücherwurm früher oder später auf die Suche nach verborgenen Schätzen in tiefe Gewölbe hinabsteigen lässt – wo im Moment seines unausweichlichen Todes der Kopf des unglücklichen Wirtes explosionsartig aufplatzt und einige hundert kleine Schleimkugeln in die Umgebung schleudert. Jedes dieser glasigen Schleimgebilde ist ein geschlechtsreifer Rohrkriecher, die allerdings in diesem Stadium als „Kriechtropfen“ oder – weniger förmlich – „Tunnelrotz“ bezeichnet werden. Die Kriechtropfen wandern dann entlang der Tunnelwände, wo sie sich von Flechten und Pilzen ernähren. Zunächst sind alle Kriechtropfen weiblich und fressen und wachsen so lang, bis sie kräftig genug sind, um irgendwo an die Tunnelwände ein rosiges Eipaket – eine sogenannte „Tunnelwarze“ – zu legen. Danach hören sie mit dem Fressen auf: sie werden zu Männchen, die wochen- oder monatelang durch die Tunnel kriechen und derweil immer kleiner werden – bis sie schließlich ein fremdes Eipaket finden und befruchten: danach sterben sie und fallen einfach irgendwann tot von den Tunnelwänden. Aus den befruchteten Eipaketen schlüpfen jedoch bald viele junge Rohrkriecher, die den Lebenszyklus von neuem beginnen…
Rohrkriecher:
Wirt (Frühstadium):
Wirt (Endstadium):
Kriechtropfen:
Tunnelwarze:
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