Die finsteren Nächte des Silberneumonds sind in den meisten Regionen
der Welt von Malmsturm Schauplatz unheimlicher Legenden und
rätselhafter Ereignisse. Während viele davon aber nur von
lokaler Bedeutung sind, gibt es aber doch einige Phänomene,
welche auf die Existenz gewisser globaler Erscheinungen während
dieser Zeiträume schließen lassen. Besonders deutlich wird
dies am Beispiel der sogenannten Mondsaat: dies sind in dunklem
Violett und Purpur strahlende Sternschnuppen, welche ausschließlich
während des Silberneumonds am Nachthimmel zu beobachten sind.
Sie tauchen jedoch nicht in allen entsprechenden Nächten auf und
soweit bekannt, gibt es keinerlei erkennbare Regel, gemäß
derer sich ihr sicheres Erscheinen vorhersagen ließe. Außerdem
wird dieses Schauspiel zwar in den verschiedensten Weltgegenden
beobachtet und mit diversen Legenden verknüpft, doch die Inhalte
der jeweiligen Geschichten unterscheiden sich erheblich und haben
Gelehrte, die Gelegenheit zu vergleichenden Studien hatten, schon
behaupten lassen, dass es tatsächlich mehrere Arten von Mondsaat
geben muss!
Stimmen
des Nordens
„…und
dieser Zwinger ritt auf einer Kreatur, wie ihr sie noch nie gesehen
habt: wie eine Mischung aus Schneelöwe und Marder, aber groß
und schön wie ein Sturmtiger, doch mit metallisch schimmerndem
Fell in Blau und Silber…“
Bochgort der Gemeine, Wirt des „Strandkrugs“, nördlich
von Nidbaerg
Obwohl
in den kalten klaren Nächten des Nordens die Sternschnuppen der
Mondsaat außergewöhnlich strahlend erscheinen, handeln die
meisten diesbezüglichen Geschichten vor allem von den
sogenannten Mondgräbern: Bei diesen handelt es sich um Orte, an
denen die nicht verglühten Überreste der eigentlichen
Mondsaat aufgeschlagen sind. „Aufschlag“ ist hier
allerdings ein etwas irreführender Ausdruck, denn die ehemalige
Mondsaat wird – anders als gewöhnliche Meteoriten, welche
in den Weiten des Nordens verhältnismäßig häufig
aufzufinden sind – grundsätzlich nicht inmitten eines
Aufschlagkraters gefunden. Mondgräber lassen sich vielmehr daran
erkennen, dass innerhalb eines grob kreisförmigen Areals die
Beschaffenheit von Erde, Steinen, Pflanzen und Tieren auffällig
deutlich von der allgemeinen Umgebung abweicht. Grad und Häufigkeit
dieser Abweichungen nimmt dabei zum Zentrum des Mondgrabes immer mehr
zu und erreicht erst unmittelbar am Rest der eigentlichen Mondsaat
(dem „Mondbruch“) ihren Höhepunkt. Der Mondbruch
liegt dabei stets offen zutage und scheint trotz seiner oft geringen
Größe – ein Mondgrab von zehn Schritt Radius umgibt
zum Beispiel grundsätzlich einen Mondbruch von weniger als einer
Handspanne Durchmesser – stets den Eindruck von enormer Masse
zu erwecken. Während aber schon das bloße Berühren
eines Mondbruchs bei allen Stämmen des Nordens als Tabu gilt,
werden Mondgräber von manchen Gelehrten, Seydern und Kriegern
ganz gezielt gesucht und regelrecht geplündert. Denn in den
Mondgräbern finden sich immer wieder einzigartige Tiere und
Pflanzen, die sich Gelehrte gern zunutze machen – so wie einige
Krieger und Schmiede hier Werkstoffe für Waffen und Rüstungen
suchen oder besonders tollkühne Seyder hier nach ebenso
mächtigen wie fremdartigen Geistern Ausschau halten, die sie
dann versuchen, als ihre übernatürlichen Sklaven in ein
Amulett aus Fundstücken aus dem Mondgrab zu bannen!
Schriften
der Waismark
…nicht
nur kommt es somit zu Fällen falscher „Wunder“-Heilungen,
welche die Gläubigen verwirren, sondern auch manchmal zur
Ausprägung unheiliger Kräfte, die nachweislich schon gegen
Vertreter von Kirche und Adel eingesetzt…
Gulbert von Brekwadder, Geheimreport zur Lage der Fischbestände
aus theologischer Sicht
In
der Waismark sind materielle Überreste der Mondsaat nahezu
unbekannt und werden gemeinhin nur in alten Kindermärchen
erwähnt. Stattdessen gibt es aber allerlei Legenden über
die Chancen und Gefahren der sogenannten Feuerflut, einer
Naturerscheinung, die angeblich nur in den Nächten der Mondsaat
beobachtet werden kann. Feuerfluten sind kleine, oft nur an
bestimmten Küstenstrichen auftretende Flutwellen, von selten
mehr als ein oder zwei Ellen Höhe. Das sollte sie unbedeutend
oder sogar unbemerkbar machen, aber Feuerfluten sind selbst auf hoher
See immer deutlich sichtbar, denn während einer Feuerflut rast
eine Abfolge hell strahlender Lichtbänder durch die See, welche
dabei nach der Schilderung so mancher Seeleute in den wundersamsten
Blautönen zu pumpen scheint als ob irgendwo in der fernen Tiefe
ein gewaltiges Herz aus Licht schlagen würde. Trotz ihrer
Schönheit sind die Feuerfluten jedoch gefürchtet, denn sie
bringen nicht nur oft unerklärliche starke Winde und
Wetterumschwünge mit sich, sondern sollen auch ganze Schiffe
beim Kontakt mit der Welle zerstört haben! Fischer hingegen, die
am Morgen nach einer Feuerflut ihre Netze auswerfen, fangen oft
seltsam verfärbte oder verformte Fische, von denen ein alter
Volksglaube behauptet, sie könnten „jeden Sterbenden
leben, jeden Lebenden sterben, jeden Großen klein und jeden
Kleinen groß werden lassen“. Der Verzehr solcher
„Schicksalsfische“ wird natürlich von der
trisantischen Kirche nicht gern gesehen und viele Laektoren sehen in
diesen Fische die inkarnierten Seelen von Häretikern und
Mördern, deren Verzehr zu Fällen von Besessenheit führen
könnte!
Stimmen des Imperiums
„…und
dann ist es ganz einfach: pack das Gebilde mit dieser Zange und leg
es hier in diese Schatulle! Nur denke daran: breche oder bohre es
keinesfalls an! Bring es meinem Herren unversehrt und verschlossen,
dann soll es dein Schaden nicht sein…“
Thaios Yxan, Faktotum des Großalchemisten Izmuun Kal, zu Julbar
dem Schlauen (verschollen)
Nur
im ländlichen Kernland des Imperiums, fernab der hell
erleuchteten Türme der uralten Metropolen, sind die bunten
Sternschnuppen der Mondsaat überhaupt allgemein bekannt –
und gefürchtet. Denn in so öden Regionen wie den Wüsten
von Horm und Aerg wissen selbst die Menschen in den wenigen noch
bevölkerten Dörfern und Karawansereien, dass ihnen in den
Wochen und Monaten nach einem dieser schönen und faszinierenden
Spektakel großes Unheil drohen kann. Daher ist es dort Brauch,
nach jedem Auftauchen der Mondsaat einen Trupp tapferer Einwohner,
möglichst in Begleitung einiger überführter
Verbrecher, in die Wüste zu entsenden, wo sie nach Hinweisen auf
Mondgräber suchen. Denn im Imperium sieht die Landbevölkerung
in Mondgräbern die Quellen von Krankheit, Tod und Wahnsinn –
oder zumindest in den Saatsuchern: Saatsucher sind wagemutige und
geldgierige Gestalten, die im Auftrag reicher Alchimisten immer auf
der Suche nach frisch gefallenem Mondbruch sind. Es ist wenig über
ihr Handwerk und ihre Geschäfte bekannt, aber vielen genügt
es zu wissen, dass ein erfolgreicher Saatsucher bereits nach nur zwei
oder drei guten Funden in den Ruhestand treten kann! Leider wissen
auch viele Dorfbewohner aus leidvoller Erfahrung, dass nur jeder
zehnte Saatsucher ein frisches Mondgrab auch wieder heil und gesund
verlässt. Die übrigen, so sagt man, werden entweder vor Ort
von furchtbar verwandelten Wüstenbestien getötet, oder
kommen irgendwann selbst in Gestalt abscheulicher Monstrositäten
aus der Wüste geschlichen, um zur Plage von Mensch und Tier zu
werden. Einige sollen sogar als Sterbende, wandelnden Leichnamen
gleich und über und über von infektiösen Geschwüren
bedeckt, in friedliche Dörfer getaumelt sein, deren Einwohner
dann allesamt an grausamen Seuchen zugrunde gingen. Daher unternehmen
die Suchtrupps der Dörfer jede Anstrengung, um den Saatsucher
zuvor zu kommen oder sie noch vor Erreichen des Mondgrabes zur
Strecke zu bringen. Gelingt es ihnen aber, den unversehrten Mondbruch
zuerst zu finden, so bringen sie diesen – möglichst von
einem Verbrecher getragen – zu einem der legendären
Mondbrunnen: geheime, angeblich bodenlose Schächte unter einigen
Dünen, deren Lage nur noch in der Überlieferung der
Landbevölkerung erhalten ist. Dort versenken sie die Mondbrut
dann in der Tiefe – und werfen den Verbrecher auch oft
hinterher. Man sagt, die Mondbrunnen seien das grausamste Geheimnis
des Kernlandes – und der ewige Traum aller Saatsucher…
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