Die Fragmente

Malmsturm – Die Fragmente: Die Kinder der Süßen Stimme

Schriften aus dem Imperium

…nachdem wir die vorgeschriebenen 23 Segensreichen Proben und die Messung von Bruch und Beuge gemäß Momat dem Alten vorgenommen haben, sind die vorgelegten Exemplare sicherlich als strukturidentisch mit den legendären Mentalithprismen aus der als Librarium bekannten Machinavariante anzusehen. Dazu kommt jedoch eine bewegliche optische Verunreinigung, die mittels gewisser Lichtarten oder Tonfrequenzen direkte parahypnotische Effekte auf optische und akustische Nervenstränge induzieren könnte. Das unkontrollierte Wachstum in konzentrierter…

Lesbarer Textabschnitt auf einem blutigen Papierfetzen, der bei der Leiche eines jungen Technosophen vor den Toren Realgars gefunden wurde

 

Obwohl das Imperium hunderte der verschiedensten Religionen, Sekten und Kulte hervorgebracht hat, von denen viele seit Jahrtausenden in einem ständigen wechselseitigen Auf und Ab von Macht und Bedeutungslosigkeit, von Einigkeit und Auflösung existieren, so war doch schon lange vor den Tagen des Exzellenten Exils selbst die Idee irgendeiner Art missionarischer Unternehmungen jenseits der Grenzen des Imperiums nahezu unbekannt.  Seit einigen Jahren macht jedoch ein scheinbar neu entstandener Kult von sich reden, der sich nicht nur sehr eifrig um seine zunehmende Verbreitung in allen Schichten und Vierteln der imperialen Metropolen bemüht, sondern seine Anhänger dazu anhält, darüber hinaus nicht nur die staubigen Dörfer des Kernlandes, sondern tatsächlich auch alle ehemaligen imperialen Gebiete, ja, sogar die bisher von keinerlei Zivilisation berührten Länder der fernsten Barbaren für die Lehren des neuen Glaubens zu begeistern! Der Kult und seine Mitglieder sind als „Kinder der Süßen Stimme“ bekannt, wobei die Kinder zu missionarischen Zwecken sogenannte Wanderchöre bilden, in denen dann Gruppen von je etwa einem Dutzend Anhängern das Imperium und angrenzende Gebiete bereisen. Während dieser Reisen macht jeder Wanderchor regelmäßig  Halt, um am Straßenrand, an einer Stadtmauer oder auf einem Marktplatz  einen scheinbar sinnlosen Summton anzustimmen, der nur unterbrochen wird, wenn jemand ein Mitglied des Wanderchors direkt anspricht und sich dabei irgendwie nach dem Kult, seinem Glaubensbekenntnis, dem Wanderchor oder dem seltsamen Summton erkundigt. Dann erzählt ihm  ein Chormitglied, dass er die Antwort auf all solche Fragen bei einem Besuch der nächstgelegenen „Stimmhalle“, wie die Kinder ihre Tempel nennen, erhalten wird und erklärt dem Fragesteller auch sogleich, auf welchem Weg er dieselbe schnellstens erreichen wird. Andere Gespräche mit Ungläubigen, bzw. „Tauben“ finden praktisch nie statt und es wird sogar behauptet, dass die Kinder der Süßen Stimme sich auch nur dann normal miteinander unterhalten, wenn kein Ungläubiger in Hörweite ist! Die Stimmhallen des Kultes stehen – außer bei speziellen Feiern zu Voll- und Neumond – jedermann offen und Besucher berichten von einem andauernden beruhigendem Murmeln, das selbst dann überall in einer Stimmhalle zu hören ist, wenn sich dort nur ein oder zwei Personen aufhalten. Von Opferhandlungen jeglicher Art ist nichts bekannt und außer den ungewöhnlichen Gebräuchen der Wanderchöre scheinen die Kinder keine nennenswerten allgemeinen Ge- oder Verbote zu predigen. Ihr einziges sonstiges Verhaltensmerkmal, das weithin bekannt sein dürfte, ist ihre  Großzügigkeit: bei vielen Begegnungen mit Fremden drängen Mitglieder der Kinder ihrem Gegenüber ein oder zwei kleine Geschenke  geradezu auf. Besonders oft werden dabei kleine Halbedelsteine oder Kristalle überreicht – stets verbunden mit der Bitte, diese „gereinigten“ Steine nicht durch die unnatürlichen Klänge von irgendwelchen Musikinstrumenten zu beschmutzen. Der genaue Ursprung dieses Kults ist ebenso unklar und von Gerüchten umgeben wie sein angeblicher Erfolg in hohen Adelskreisen und bei gewissen nomadischen Stämmen in der Steppe von Itha Vol, aber gemäß den Behauptungen der Kinder selbst wurde die erste Stimmhalle im Imperium von einem namenlosen Seemann begründet, der durch die „Gnade der Süßen Stimme“ einen Schiffbruch überlebte und den „Klang der Wahrheit“ in einem heiligen Gefäß zurück in seinen Heimathafen brachte…

 

Stimmen aus dem Imperium

Süße Stimme am Arsch! Als meine Freunde und ich einige dieser Wanderspinner am Rand der Horm um etwas Gold erleichtern wollten, da schauten die nur und fingen an zu singen – aber ich konnte nichts hören: nur ihre Lippen bewegten sich! Wir waren zu dritt und sie sangen einen nach dem anderen still an. Gyglev rannte einfach schreiend in die Wüste – aber als Jehander dran war und sich plötzlich schweigend mit bloßen Händen die Eingeweide aus dem Leib riss, da lief ich zum Glück schon längst um mein Leben – jedenfalls dachte ich das. Trotzdem: erst als ich hinter dem Horizont war, bemerkte ich mein blutiges Messer und meine fehlende linke Hand…

Rubad die Klaue im Elfenbeinhaus, einer Herberge zwischen Lyssa und dem Mondsee

 

 

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