Die Fragmente

Malmsturm – Die Fragmente: Die Feste des Alsimak

Jedes Jahr im Frühling, wenn der Stern Alsimak exakt im Zenith über Lyssa steht, regiert in den ärmsten Stadtteilen der imperialen Kernlandmetropolen der schiere Irrsinn. Prügelnde, brandstiftende und raubende Mobs rotten sich zusammen, um zu verwüsten was ihnen vor ihre improvisierten Waffen kommt. „Die Feste des Alsimak“ nennt man diese eine Nacht dauernde Phase des offenen Aufruhrs. Jede Straßenbande ist auf den Beinen, um so viel Schaden wie nur irgend möglich anzurichten. Man versucht, die Lager der Gilden zu plündern, seine persönlichen Feinde zu massakrieren oder gegen die Regierung zu revoltieren. Irrwitzigerweise tragen sie dabei Blumen, bunte Bänder und manchmal auch farbenfrohe Masken. Das gewalttätige Chaos hat eine Jahrtausende lange Tradition, doch die Gründe für die immer wiederkehrenden Gewalttätigkeiten liegen im Dunkel der Geschichte verloren. Die einen sagen, die Feste des Alsimak sollten an die einzige Revolution gegen die Obrigkeit erinnern, die fast mal geglückt wäre (was für eine Revolution das gewesen sein soll, variiert je nachdem, wer diese Geschichte erzählt). Einer anderen Variante nach ist der Stern Alsimak ein ausgesprochener Unglücksstern für den Adel. Sein Licht verheißt ihnen und ihren Dienern nichts als Unglück. Daher würden während der Nacht, in der Alsimak im Zenith steht, jegliche Regierungsgeschäfte eingestellt und auch Stadtwache und Armee bleiben in ihren Kasernen. Daher hat die Unterschicht in dieser Nacht freie Bahn! Letzteres ist natürlich blühender Unsinn – tatsächlich hat de Stern Alsimak in der hohen Astrologie des Imperiums keine besondere Bedeutung. Das ist dem ungebildeten Pöbel jedoch kaum bekannt. Dennoch ist es eine Tatsache, das die Obrigkeit nicht, oder nur sehr halbherzig gegen die Feste des Alsimak vorgeht. In jeder anderen Nacht würden die imperialen Behörden solch blutigen Aufruhr schnell, effektiv und routiniert beenden (sie haben jahrtausende lange Erfahrung damit, Aufstände niederzuschlagen). Doch trotzdem rühren sie keinen Finger, wenn Alsimak im Zenith steht. Völlig straffrei kann der Abschaum der Gossen in dieser Nacht tun, was immer ihm beliebt. Das die Behörden das zyklisch wiederkehrende Gemetzel dulden, hat durchaus einen tieferen Sinn. Um spontane Aufstände zu vermeiden, gestattet man der Unterschicht eine Nacht lang „auszurasten“. Viele Straßenbanden nutzen die Feste des Alsimak dazu, alte Rechnungen zu begleichen und dezimieren sich gegenseitig in brutalen Straßenschlachten. Einige Banden werden dabei stets vollkommen ausgelöscht, so dass die Stadtwache zu ihrer Bekämpfung nichts tun muss, außer abzuwarten. Sind die Feste vorbei, ist die Zahl der gewalttätigen Bandenmitglieder wieder geschrumpft und die Energien der Unterschicht sind durch die brutalen Unruhen so weit aufgebraucht, dass ein Jahr lang keine größeren Aufstände zu befürchten sind. Den vielen Armen, die sich nicht an den allgemeinen Gemetzeln beteiligen und die als Opfer des Wahnsinns zu bezeichnen wären, zeigt die Obrigkeit auf diese Weise eindringlich, was ihnen blüht, wenn die Regierung einmal nicht zu ihrem Schutz da ist. Auf diese perfide Art wird so die Loyalität vieler Unterschichtler sichergestellt.
Auch anderen Gruppierungen bieten die Feste des Alsimak zahlreiche, willkommene Möglichkeiten. Nicht nur Straßenbanden nutzen die Nacht, um Schlachten auszutragen. So ist zum Beispiel bekannt, das verfeindete Kulte, die unter der imperialen Ägide der Religionsfreiheit nicht offen gegeneinander vorgehen dürfen, die Feste nutzen, um die Tempel ihrer Gegner gründlich zu zerlegen. Natürlich, um nachher dem aufgebrachten Pöbel die Schuld zu geben und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen. Ähnlich handelt mancher Gildenmagnat, um die Manufakturen und Lager seiner Konkurrenz zu vernichten. Wer will schon so genau nachprüfen, ob die Schäden von gedungenen Saboteuren oder von trunkenen Krawallmachern verursacht wurden? Für Mordanschläge sind die Feste des Alsimak natürlich auch ein idealer Zeitpunkt. Eine Sitte, die sich im Zusammenhang mit den Festen ebenfalls großer Beliebtheit erfreut, ist der sogenannte „Gossenspaß“, den sich eine gewisse Klientel junger Adeliger während dieser Nacht gönnt. In Lumpen gekleidet, aber mit ihren feinsten Waffen ausgerüstet schleichen sie sich in die Slums, um sich am allgemeinen Abschlachten, Rauben und Vergewaltigen zu beteiligen. Dabei übertreffen sie mit ihren abnormen Gewalttaten stets die schlimmsten Taten der Unterschichtler.
Diejenigen, die dem grausigen Treiben nichts abgewinnen können, sind während der Feste der nackten Angst ausgeliefert. Wer kann, bringt vor der Nacht Alsimaks sein Hab und Gut in Sicherheit und verlässt die gefährdeten Viertel. Den Armen, die dies nicht können, bleibt nur, in die Kanalisation zu fliehen, oder sich in ihren Wohnblöcken zu verbarrikadieren um die Sache auszusitzen. Auf die Hilfe der Stadtwache ist während der Feste noch weit weniger zu zählen als in anderen Nächten. Einige Banden und Söldnergruppen machen während der Feste eine Menge Geld damit, Wohnblöcke zu bewachen, deren Bewohner ein ganzes Jahr lang all ihr Geld zusammengespart haben, um sich einen (unsicheren) Schutz gegen die marodierenden Banden leisten zu können.
Die unzähligen Gräuel, die während der Feste des Alsimak stattfinden, sind natürlich die Quelle vieler grauenhafter Geschichten. Immer wieder werden auch übernatürliche Erklärungen für die Gewalt dieser einen Nacht ins Spiel gebraucht. So sollen zu dieser Zeit manchmal körperlose Geister des Wahnsinns umgehen und auch die friedlichsten Zeitgenossen in gewalttätige Wahnsinnige verwandeln. Man glaubt auch, dass viele der zahlreichen lästerlichen Droh- und Schmähgraffitti an den Hauswänden in der Nacht des Alsimak hypnothische Wirkung entfalten und empfindsame Seelen zu Mordtaten zwingen. Ganz von der Hand zu weisen sind diese Gerüchte nicht. Einige Dämonologen gestatten ihren Kreaturen während der Feste etwas Auslauf, um zu „Spielen“ und manch ein Alchemist mag das Chaos für Feldversuche mit interessanten Drogen nutzen.
Ist die Nacht der Feste vorbei, werden die Leichen von den Straßen geräumt, die Brände gelöscht und die Verletzten versorgt. Die Oberschichtler nicken sich wissend zu und versichern sich, wie wichtig es ist, die Unterschicht streng zu führen, da die in der Nacht gesehenen Ausschreitungen deutlich zeigen, wie die Slumbewohner ohne harte Hand leben würden. Die Unterschichtler hingegen wagen es nicht, länger über die Feste zu sprechen – man will lieber nicht wissen, was der eigene Nachbar während der Ausschreitungen so getrieben hat. Lieber beseitigt man die entstandenen Schäden…und manch eine Reparatur dauert so lange, dass sie erst in der Nacht vor den nächsten Festen des Alsimak beendet sein wird.

Aspekte:

  • Karneval des Chaos
  • Intriganter Deckmantel
  • Der Mob tobt
  • Trutzburg der Gewalt

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