In den eisigen Weiten des hohen Nordens können Wanderer einiges an Fremdartigem und Wundersamem finden. Ein wirklich befremdlicher Anblick bietet sich Reisenden zum Beispiel 500 Leugen nördlich des Amswardsees, auf einer glatten Eisfläche, die von den Einheimischen gemeinhin als Dagaruhn-Gletscher bezeichnet wird. Einsam den eisigen Winden ausgesetzt steht dort, hunderte von Verst von der nächsten Küstenlinie entfernt, ein Schiff von fremdartiger Bauweise. Ein gewaltiger Viermaster, dessen Rumpf und Masten aus einem dunklen, irrisierenden Metall bestehen. Kein im Norden bekanntes Volk baut ähnliche Fahrzeuge. Nicht nur, dass das Metall, aus dem das Schiff besteht, vollkommen unbekannt ist – auch die schlanke Form des Schiffskörpers und die barocken Ornamente und die dämonischen Fratzen, mit denen das Schiff übersät ist entsprechen keinem bekannten Stil dieser oder vergangener Epochen. Einige Teile des Schiffes wirken eher wie gewachsen als gefertigt. Einige Leute, die das Schiff gesehen haben, schwören Stein und Bein, dass sich Ornamente bewegt haben. Fratzen blickten in ihre Richtung und Schlangenleiber wanden sich über den Rumpf. Man sagt, unzählige Geister seien in die Fresken gebannt worden und hätten das Schiff einst behütet oder gar angetrieben.
Wie das Schiff dorthin kam, wo es heute liegt, ist unbekannt. Soweit es die Viehhüter, Eiswanderer und Jäger des Umlandes betrifft, lag das Schiff schon immer leicht schräg auf dem Gletscher. Einige vermuten, dass Schiff sei ein Gefährt fremdartiger Götter und wäre eines Tages einfach vom Himmel gefallen. Andere Mythen sprechen davon, dass der Norden in vergangenen Weltzeitaltern weit wärmer war als heute und sich dort, wo heute Gletscher sind, einst Seen und Meere erstreckten. Das Schiff sei einfach aus jener Zeit übrig geblieben, und im Eis geblieben, als es kälter wurde und die Meere zufroren. Wieder andere halten das Schiff für eine Art Eisgleiter, wie ihn die Ladchoum bauen. Dagegen spricht zwar die Form, in der das Schiff konstruiert wurde, aber vielleicht hatte es andere, magische Mittel, über das Eis zu gleiten.
Die Anwohner meiden das Schiff nicht unbedingt, gehen aber selten auf den Gletscher. Das hat jedoch mehr mit gefährlichen Gletscherspalten zu tun als mit dem seltsamen Schiff. Durch die zahlreichen Ornamente am Rumpf ist das Schiff zwar leicht zu erklettern, aber ungefährlich ist die Sache bei Weitem nicht. Das Metall ist so kalt, dass unbedeckte Haut leicht daran festfriert. Hat man die Bordwand erfolgreich erklommen, wird man feststellen, dass abschüssige, metallene Deck von einer dünnen Eisschicht bedeckt ist. Manch einer, der es schaffte, an Bord zu klettern, rutschte dann an Deck aus und brach sich beim Herabfallen den Hals. In der Mitte des Decks steht ein großer, schwarzer Kessel, unter dem man Brennholz schichten kann. Auf dem Achterkastell befindet statt eines Steuerrades ein gewaltiger Thron, der aus dem gleichen Metall besteht wie der Rest des Schiffes. Dort sitzt die mumifizierte Leiche eines seltsamen Mannes. Ein riesiger Hüne in verschlissenen Seidenroben und mit ungewöhnlich langen Ohrläppchen. Einst soll er eine goldene Krone getragen haben, aber diese ist schon vor langer Zeit gestohlen worden. Schon einige haben sich getraut, das Deck zu betreten, aber nur wenige haben es gewagt, einen Blick in das Schiffsinnere zu werfen. Soweit man weiß, sind die Wände dort ebenso reich ornamentiert wie das Äußere des Schiffes und man soll mehr seltsame, hünenhafte Eisleichen mit langen Ohrläppchen finden – samt unermesslicher Reichtümer, die allerdings hinter unzerbrechlichen Glasplatten verschlossen seien.
Das Mysterium des Schiffes:
….wird an dieser Stelle natürlich nicht vollständig verraten werden. Allerdings könnte es magisch kundigen Charakteren durchaus gelingen, das Schiff aus dem Eis zu befreien, wenn sie auf die Stimmen der im dunklen Metall gefangenen Geisterschar hören. Das Schiff entstammt einer unsagbar fernen Vergangenheit und war tatsächlich so etwas wie ein Eisgleiter. Hat man die Geister beschwichtigt und ihnen gebührende Opfer dargebracht, so hebt sich das Schiff auf Schwaden geisterhaften, eisigen Nebels etwa einen Meter über den Boden und kann sowohl über Eis als auch Wasser oder flaches Land gefahren werden wie ein echtes Seeschiff. Für Vortrieb sorgen die Geister nicht, das tun normale Segel. Es sollte beachtet werden, dass das Schiff kein Luftschiff ist, sondern nie mehr als einen Meter über der Erdoberfläche schwebt. Gebirge, Wälder oder stark hügeliges Gelände sind daher unbefahrbar. Die Jahrtausende der Einsamkeit haben die Geister stark in Mitleidenschaft gezogen. Sie haben sich in kleine Grüppchen zusammengeschlossen, die einander eifrig hassen. Die eine Fraktion will, dass das Schiff wieder segelt, die andere will frei sein und die dritte einfach nur ihre ewige Ruhe. Das Verhalten des Schiffes hängt stark davon ab, welche Gruppe gerade die Oberhand hat. Auch das Opfer, das zum Betrieb des Schiffes notwendig ist, ist alles andere als banal. Um über Eis und Erde gleiten zu können, muss der Kessel in der Decksmitte stets mit kochendem Blut gefüllt sein.
Kommentar verfassen