Die Fragmente

Malmsturm – Die Fragmente: Biel-Finith – Der ghorgardische Mannbarkeits-Ritus

Seit Jahrhunderten schon sind die Ghorgarden fromme Anhänger des trisantischen Glaubens. Wie ihre Glaubensbrüder im Süden achten auch sie das Libram und suchen brav die Messe auf. Meistens wenigstens. Es ist durchaus kein Geheimnis, dass die Ghorgarden sich einige fremdartige Sitten und Gebräuche aus jener Zeit bewahrt haben, in der sie noch heidnische Barbaren waren. Ghorgardische Laektoren und Episkopen nehmen diese kulturell bedingten Besonderheiten mit großmütiger Toleranz hin – aus dem Süden zugereiste Kleriker schlagen wegen ihnen vor lauter Verzweiflung die Hände über dem Kopf zusammen. Dabei halten sie einige der archaischen Sitten für schlimmer als andere. Das das erste Horn frischen Branntweins, das man im Jahr produziert hat für die Waldgeister in den nächstgelegenen Busch gekippt wird, lässt sich tolerieren. Auch, dass man bei religiösen Festen die alten heidnischen Menhire genau so schmückt wie die Kirche, kann man durchgehen lassen. Am sogenannten „Biel-Finith“ (ghorgardisch für „Kälber-Schnappen“), dem ghorgardischen Mannbarkeits-Ritus jedoch scheiden sich die Geister gewaltig. Im Grunde handelt es sich um nichts weniger als ritualisierten Viehdiebstahl. In den alten, heidnischen Zeiten galt ein Junge erst dann als Mann, wenn er seinen ersten Raub- oder Kriegszug mitgemacht und sich bewährt hatte. Im allgemeinen hielt man Knaben ab einem Alter von 14 Jahren für geeignet, am Kriegshandwerk teilzunehmen. Herrschte Frieden, konnten Jungen sich de facto nicht als Männer beweisen. Es bürgerte sich daher der Brauch ein, dass alle Knaben eines Dorfes, die im selben Jahr 14 wurden, ausgeschickt wurden, um in einem der Nachbardörfer Vieh zu stehlen. Bald entwickelte sich daraus ein festes Ritual. Auch, als die Stammesfürsten die Ghorgarden geeint hatten, ja selbst als der trisantische Glaube sich ausgebreitet hatte, behielt man das Biel-Finith bei.
Heute läuft das Ritual im Rahmen eines Dorffestes ab und ist weit weniger ernst als in früheren Zeiten. Statt mit eisernen Messern und Mordabsichten treten die Jugendlichen heute mit Holzknütteln zum Viehdiebstahl an. Im Rahmen eines Umtrunks mit Branntwein, der für viele Knaben das erste richtige Besäufnis darstellt, werden die Jungen von den Dorfältesten auf ihre Mission eingeschworen, einem vorher festgelegten Nachbardorf mindestens ein Kalb zu stehlen, damit es bei den Feierlichkeiten des Folgetages gebraten werden kann. Falls der örtliche Laektor Ghorgarde ist, erhalten sie bei dieser Gelegenheit auch gleich den Segen der Götter. Kommt der Laektor aus dem Süden entfällt dieser Part meistens. Zudem erhalten die Jungen für ihre Mission Blumenkränze von den Mädchen ihres Dorfes. Bei Anbruch der Dunkelheit brechen die Jungen schließlich zum Nachbardorf auf, um eines oder mehrere Kälber zu stehlen. Dort erwartet sie eine Gruppe jugendlicher Wächter, die das Biel-Finith im letzten Jahr absolviert haben oder im nächsten Jahr absolvieren werden (die Regeln sind in diesem Punkt variabel). Diese sollen die Angreifer daran hindern, ein Kalb mit in ihr Dorf zu nehmen.
Viele Gruppen kundschaften ihre Nachbardörfer schon Wochen vorher aus und legen sich generalstabsmäßig ausgeklügelte Schlachtpläne zurecht. Da die meisten Knaben sich während des Biel-Finith aber im Zustand der Trunkenheit befinden, läuft es doch stets auf eine wüste Prügelei zwischen den Wächtern und den Viehdieben in Spe hinaus. Da sich die Wächter während des Biel-Finith oft auch ordentlich einen auf die Tröte gießen, gleichen sich die Kräfte weitgehend aus. Blutige Nasen, Prellungen, Platzwunden oder der eine oder andere Knochenbruch werden mit einkalkuliert. So etwas gehört einfach mit dazu. Ein Biel-Finith ohne zünftige Prügelei würde man gar als widernatürlich ansehen. Kehren die Jugendlichen dann mit Kälbchen oder wenigstens mit Ziegen in ihr Dorf zurück, beginnen die eigentlichen Feierlichkeiten…abermals mit viel Brandwein. (Nebenbei bemerkt: Mädchen werden zuweilen auch entführt. Das gilt als akzeptabel, wenn sie dabei höflich behandelt werden und im Zieldorf etwas zu trinken bekommen…).
Sollten die Jungen ohne Beute zurückkehren, kommt es darauf an, ob sie sich wenigstens ordentlich mit den Wächtern geprügelt haben. In einer Schlacht zu unterliegen, ist tragisch, aber ehrenhaft. Ehrenrührig wird es erst, wenn man dem Kampf feige ausgewichen ist. Da das Fest des Biel-Finith jährlich stattfindet, sind die ghorgardischen Bauern bestens darauf vorbereitet. Der „Viehdiebstahl“ stellt also keinen wirtschaftlichen Schaden dar, wie im Süden gern behauptet wird. Und da die eigenen Knaben für die Kälbchen, die dem Dorf gestohlen werden, wiederum Kälbchen eines Nachbardorfes herbeigeschafft werden, glaubt man, dass sich die Sache ohnehin ausgleicht. Trotz oder grade wegen der meist brutalen Schlägereien, bei denen sogar schon manche Erzfeindschaft entstanden ist, gehört das Biel-Finith für die Ghorgarden zu den unschuldigen Spielen ihrer Jugend. Etwas, das man nicht missen möchte. Den kultivierten Klerikern des des Südens gilt das Biel-Finith gradezu als Paradebeispiel barbarischen Treibens, dass am Besten unterbunden gehört.

Aspekte:

  • Das ist kein Küheschubsen
  • Nicht am Euter packen
  • We drank some beers and broke some heads. We never gave a shit [Overkill – eliXIV – Oldscool]
  • Zu meiner Zeit, als Knüppel noch härter und Frauen noch flinker waren

 

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