Wer einige mühsame Tagesreisen von Kanoél aus gen Südwesten, bis tief in die waldbedeckten Hügeln von Brocaeliand, auf sich nimmt, der wird bald in den wenigen Wirtshäusern und Dörfern Geschichten über einen einsam gelegenen Wald vernehmen: ein Wald, den niemand mehr betreten haben soll, seit Genalb Aerdswaeren vor über hundert Jahren den Stadtrat von Kanoél stürzte. Doch selbst in den Jahrhunderten zuvor, so die Geschichte, kehrte kaum jemand lebend zurück, der aufgebrochen war, um diesen fluchbeladenen Wald zu erkunden – und an solchen mangelte es nicht. Denn in diesem Wald, der eine kleine, von steilen Felswänden umgebenen Hochebene bedeckt, ist schon von Ferne die düstere Ruine eines alten Turms zu erkennen: Dies ist der Waldkirchturm und die Legende sagt, das seine geborstenen Mauern und verkohlten Balken die Überreste der ersten und der letzten Kirche sind, in der einst die grausige Häresie von Abalach gepredigt wurde! Als aber schließlich die Zeit der Läuterung ihrem glorreichen Ende entgegen ging, da flohen die letzten Anhänger der Häresie in diese Kirche und überzogen den umliegenden Wald mit unheiligen Zaubern und heimtückischen Fallen, um der Verfolgung zu entgehen. Tatsächlich gelang es selbst den frömmsten Streitern nicht, diese grüne Feste zu überwinden, in der scheinbar eine von Teufeln und Geistern besessene Horde von Tieren und Pflanzen über jeden rechtgläubigen Eindringling herfiel, um ihn zu verschlingen! Erst – so die Legende – als Awallok der Erwachte selbst erschien und mächtige Katapulte errichten ließ, mit denen gesegnetes Feuer auf den Wald der Häretiker geschleudert wurde, da ließ die finstere Kraft der Abtrünnigen nach. Dennoch gelang es nicht, den gesamten Wald in Brand zu stecken: immer wieder erstickten die Flammen und über Nacht erschien neues wucherndes Grün. Doch in einer besonders tief in den Wald gebrannten Schneise befahl Awallok endlich den Bau eines hohen Belagerungsturms. Auf dessen Spitze brachte er höchst selbst ein heiliges Artefakt aus den Tagen der zwei heiligen Brüder. Mit diesem rief er den Zorn des Vaters selbst auf die Erde hinab, auf dass tausend gewaltige Blitze einen ganzen Tag lang auf den Wald und die Kirche niedergingen, bis schließlich der letzte Blitz die schändliche Behausung der Häretiker über ihren Häuptern explodieren und einstürzen ließ! Danach wurde die Läuterung als beendet erklärt und alle Truppen abgezogen, doch der Wald blieb auch weiterhin ein Ort voller Gefahren, alter Fallgruben und bösartiger Raubtiere, der als auf ewig verflucht galt. Schon bald tauchten dort aber die ersten tollkühnen Schatzsucher auf, denn trotz aller Gefahren für Leib und Seele lockte sie der enorme Schatz, den die Abtrünnigen angeblich in den Gewölben ihrer Kirche – oder „Kathedrale“ , wie sie von ihnen genannt wurde – angehäuft hatten. Dazu sollten außer Gold und Juwelen vor allem diverse verbotene Objekte aus den Tagen des Imperiums gehören, die ihrem Besitzer teuflische Kräfte verleihen können – ein Gerücht, das sogar heute noch manche Schatzsucher in Versuchung führen mag…
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