Es ist wieder Donnerstag, der malmsturmigste Tag überhaupt Zeit für ein neues Fragment aus der Welt von Malmsturm.
Stimmen aus der Waismark
…es ist eine Inselkette. Der Rest einer weit größeren Kette, die einst bis zum Imperium reichte. Was ist daran nicht zu verstehen? Wünscht euch besser nicht, dass die ganze Kette wieder auftaucht – denn dann werden wir alle wieder an der Kette des Imperators liegen, so wie es einst der Kolonie unserer Vorfahren erging!
Tulav der Gestrandete, stadtbekannter Säufer und Bettler aus Kaerwydden
Die Seeleute in den westlichen Gewässern der Waismark spinnen von Zeit zu Zeit ein besonders hartnäckiges Seemannsgarn über eine Gruppe winzig kleiner Inseln, die irgendwo in der Weite des westlichen Ozeans liegen und den Weg zurück in das sagenumwobene alte Imperium weisen sollen. Besonders in den Häfen von Kaerwydden und Kytecz hört man immer wieder Geschichten über Schiffe, die durch einen schweren Sturm weit auf den Ozean getrieben wurden – so weit, dass es der einfachen, auf Küstenfahrten beschränkten, Navigationskunst der Seeleute unmöglich gewesen wäre, einen sicheren Heimatkurs zu bestimmen! Doch plötzlich erblickte die Mannschaft des Schiffes die Silhouetten einer Reihe spitzer Felsnadeln am Horizont: von West nach Ost jede größer als die vorhergehende. Da jedes Kind an der Westküste der Waismark die Legende kennt, wussten sie also, dass sie nur genau in Richtung der größer werdenden Inseln segeln mussten. Wenn sie dann am Morgen an der letzten und höchsten Felsnadel vorbei genau in Richtung der aufgehenden Sonne segelten, so würden sie mit Gewissheit bei Einbruch der Dunkelheit die heimatliche Küste vor sich sehen – und so geschieht es dann auch in jeder dieser Geschichten.
Stimmen aus der Waismark
Einer der zwölf Felsen ist weiß wie Schnee und strahlt selbst im Licht des Silbermondes wie ein großes Leitfeuer über den Ozean. Aber hütet euch davor, diesen Felsen zu betreten: es ist keine Felsnadel, sondern ein gigantischer Turm aus den bleichen Knochen längst vergessener Bestien! Man sagt, in ihm lagern die wundersamsten Artefakte und Schätze des Imperiums, denn einst musste jedes Schiff dort seinen Wegzoll ableisten – und bis zum heutigen Tag soll der uralte Meisterjäger des Imperators, aus dessen Trophäen der Turm errichtet wurde, in diesem Schatzhaus der Toten hausen!
Valbaerd der Kahle, Stadtschreiber von Kytecz
Es gibt jedoch noch mehr über diese seltsamen Felsen zu wissen. Ihre eigentliche Besonderheit ist nämlich, dass sie in unregelmäßigen, oft jahrzehntelangen Abständen einfach im Meer versinken, nur um dann viele Jahre später wieder aufzutauchen! Nur die Eingeborenen der Ogyden behaupten zu wissen, wann und wie lange die Zwölf Felsen auftauchen, doch nach einem lokalen Aberglauben droht das Ende der Welt, wenn die Felsen für immer verschwinden sollten. Eine andere Legende besagt, dass die Zwölf Felsen ursprünglich zu einer sehr viel längeren Inselkette von insgesamt 144, also zwölf Dutzend ähnlich beschaffener Felseninseln gehörten. Das Imperium hatte sie aus der Tiefe des Meeres emporsteigen lassen, um als Navigationshilfe und Ankerplatz auf der langen Reise zwischen der Waismark – damals der imperialen Kolonie Illyrien – und den Hafenstädten des Imperiums zu dienen. Dies sei auch der Grund dafür, dass man von Zeit zu Zeit auf den Felsen selbst uralte Ruinen und Tunnel findet, in denen zwar viele den Tod, aber einige eben auch wertvolle Schätze gefunden haben. Es gibt auch immer wieder einmal Seefahrer, die behaupten, das weit im Westen noch mehr von den 144 Felsnadeln erhalten geblieben sind, so dass nur etwas Mut und Ausdauer erforderlich seien, um diese zu erreichen und ihnen dann bis zu den Reichtümern des Imperiums zu folgen! Die trisantische Kirche hält allerdings wenig von solchen Überlegungen und entsendet stets ein oder zwei Schiffe zu den Zwölf Felsen, wenn ihr Auftauchen gemeldet wird, um törichte Geister von derartigen Expeditionen abzuhalten. Auch wenn böswillige Stimmen behaupten, das die Mannschaften dieser Schiffe in erster Linie die Felsen im Namen des Hierophanten ausplündern und auskundschaften sollen – nur was genau die Kirche dort suchen mag, das bleibt dabei im Dunklen…
Stimmen aus dem Imperium
Es gibt gute Gründe, stets nur nach Süden, also zu den traumhaften Inseln von Dhelyrien zu reisen! Mein Großvater war Navigator auf mehr als dreißig langen Fahrten und er erzählte mir oft von den unglücklichen Seelen, die – sei es von Neugier oder widrigen Winden getrieben – in den östlichen Ozean fuhren. Kaum einer von ihnen kehrte je nach Manto zurück, aber die wenigen, denen es gelang, berichteten voller Grauen von einer endlosen Kette unterseeischer Riffe und lebloser Felseninseln, entlang derer eine unwiderstehliche Strömung herrscht, die jedes noch so große Schiff packt und erbarmungslos in den Sonnenaufgang zieht – solange, bis die Mannschaft verdurstet oder das Schiff an den Riffen zerschellt ist! Was, wie sie überlebten? Nun, sie haben von einem merkwürdigen Sturm erzählt, der sie nach Süden aus der Strömung trieb – ein Sturm, der im selben Moment aufkam, als eine der Felseninseln in der brodelnden See versank…
Ayrylochos Nhilem, genannt der Schwätzer, in einer Taverne im Hafen von Manto
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