Wenig ist in den Ländern südlich der Hochebene von Khor über die sagenumwobenen Ureinwohner dieses eisigen Landes bekannt. Meist bilden Geschichten ihrer Erbfeinde, des gnadenlosen Kriegervolkes der Choár, die Grundlage der wagen Gerüchte und halb erdichteten Abhandlungen über die Qôroq Qôl, welche entlang der Ufer des Nebelmeeres kursieren – und genau diesen Erzählungen der Choár ist es zu verdanken, dass so viele die Qôr für die wilden Ureinwohner ihrer unwirtlichen Heimat halten. Nur sehr wenige Reisende im Norden haben hingegen wirklich regelmäßigen Kontakt mit den Qôroq Qôl, so dass sie zumindest irgendwann erfahren haben, dass diese in Wahrheit vor sehr langer Zeit noch ein Teil des Volkes der Choár waren! Aber selbst unter den paar Händlern, Pelzjägern oder Schmieden, welche sich über viele Sommer hinweg nahe den legendären Knochenmühlen zu den Qôv Yasuqviq – Ort des guten Wandels – genannten Tauschhandelstreffen versammeln, findet sich manchmal jahrhundertelang niemand, der genug Vertrauen erworben hat, um mehr von den weiß bepelzten Riesen zu erfahren.
Schriften des Nordens
…so bot sich uns ein fremdartiges Bild: In diesem hochgelegenen Felsental am Rande der Khor hatten offenbar viele heiße Quellen das Eis dauerhaft vertrieben. Inmitten der Ansammlung dampfender Becken aber waren viele Zelte und Hütten aufgebaut worden, zwischen denen ein buntes Treiben aus pandharischen Pelzjägern, thuulischen Händlern und ladchoumischen Kräuterkrämern ohne erkennbare Probleme mit gut ein bis zwei Dutzend weißpelziger Kreaturen durchmischt schien, die ich nur als Exemplare der monströsen Qôr, auch Khoraner genannt, identifizieren konnte…
Hulward Starn, Gelehrter aus Nidbaerg in einem Brief an seine Schüler
Eine der seltsamsten Eigenarten dieses doch so unmenschlich wirkenden Volkes gerät so immer wieder für viele Generationen selbst unter den größten Gelehrten des Nordens in völlige Vergessenheit. Dabei handelt es sich aber nicht, wie manche glauben, um den ausgeprägten sexuellen Dimorphismus der Qôr, bei denen nur die Männer dem weitverbreiteten Bild der Qôroq Qôl als riesenhaften, weißpelzigen Affenmenschen entsprechen, die selten erblickten Weibchen jedoch weit zierlicher sind und wie pantherhafte, silberweiße Katzenfrauen erscheinen. Nein, vielmehr geht es um den sagenhaften, als id‘Yiraq bekannten Ritus der Erwachsenwerdens der Qôr. Der bemerkenswerteste Teil dieser Sitte ist dabei die Vorbereitung des eigentlichen Ritus – ein Akt, der Dryfdmaennen genannt wird und bis zu 7 Jahre dauern kann! Manchmal findet sich in den seltenen Berichten über die Qôv Yasuqviq die Bemerkung, dass es scheinbar noch nie einem Angehörigen eines fremden Volkes vergönnt war, auch nur einem einzigen jugendlichen Qôroq Qôl – oder gar einem Kind – zu begegnen, aber die Bedeutsamkeit dieser Tatsache bleibt den allermeisten Menschen des Nordens für immer verborgen. Denn streng genommen existieren gar keine jungen Qôroq Qôl! Die den Qôr geborenen Kinder sehen kaum erkennbar anders aus als die Kinder anderer Völker, wenn auch ihre Größe und ihr weißblonder Flaum stark an den typischen Nachwuchs der Choár erinnern. In einigen gelehrten Schriften des Nordens findet sich die Vorstellung, dass die Qôr „ihre Menschlichkeit geopfert hätten, um Torngars Schild zu erhalten“ – und allgemein wird dies auf ein mysteriöses uraltes Ritual bezogen, dem sich die Vorfahren der heutigen Qôroq Qôl einst unterzogen, worauf sie zu den Ahnen eines Volkes kriegerischer Biestmenschen wurden. Leider ist dies ein Missverständnis. In Wahrheit verfügen die Qôr stattdessen über ein mächtiges magisches Ritual, welches ihre gerade erwachsenen, doch zunächst immer noch menschlichen Nachkommen erst in die riesenhaften halbmenschlichen Kampfmaschinen verwandelt, die alle Welt als die Qôroq Qôl kennt! Vor der entsprechenden Zeremonie kommt jedoch die Zeit des Dryfdmaennen: Am ersten Vollmond des Sommer sammeln sich alle jungen Qôr, welche seit dem Beginn des letzten Sommers ihr sechzehntes Jahr vollendet haben, an verschiedenen heiligen Plätzen an den Südrändern der Khorebene. Dort werden sie von ihren Familien verabschiedet und legen ihren Kindsnamen ab, bevor sie dann die Hochebene verlassen und ihr Dryfdmaennen beginnen. Dieses dauert drei Winter und vier Sommer, bei denen es jedoch den jungen QQ überlassen ist, ob die Jahreszeiten im Wechsel (S-W-S-W-S-W-S) oder nacheinander (S-S-S-S-W-W-W) zählen wollen, d.h. ob sie volle sieben oder nur dreieinhalb Jahre fortbleiben. Während dieser Zeit wird von den Dryfdmaenqor, wie die reisenden Jugendlichen genannt werden, erwartet, dass sie sich möglichst gut mit den Völkern und Ländern des Südens vertraut machen und in dieser fremden Welt leben, ohne je ihre wahre Herkunft preiszugeben. Dann – zum Ende des Dryfdmaennen – muss sich ein jeder von ihnen entscheiden: entweder zur fristgerechten Rückkehr auf die Hochebene, wo sie ihre Menschlichkeit ablegen und sich für immer in wahre Qôroq Qôl verwandeln werden, oder zur Abkehr vom Erbe ihrer Ahnen und einer lebenslangen Existenz als Mensch unter Menschen. Wer heimkehrt, den erwartet das Ritual des Yiraqsuq, der Verwandlung, bei dem die Dryfdmaenqor in einen todesähnlichen Schlaf versetzt und in einen gipsartigen Kokon gehüllt werden, der zuvor unter anderem aus der Asche und dem Knochenmehl der Ahnen hergestellt wurde. Nach einem vollen Monat werden diese Formen dann aufgebrochen, woraufhin ihnen jeweils ein voll ausgewachsener Qôr entsteigt, der nun die notwendige Kraft besitzt, um den ewigen Krieg seines Volkes fortzusetzen! Doch selbst diejenigen, die sich am Ende des Dryfdmaennen für ein ganz und gar menschliches Leben entscheiden, können es oft nicht über sich bringen, sich völlig vom Kampf ihres Volkes abzuwenden. Seit Jahrhunderten existiert daher ein geheimes Netzwerk ehemaliger Dryfdmaenqor, das zwar dünn und weit gespannt ist, dessen Mitglieder aber in der ganzen Welt bereit stehen, um einem in Not geratenen Dryfdmaenqor – oder gar einem gefangenen und versklavten Qôroq Qôl – zu helfen, die aber ebenso oft aus dem Dunkel auftauchen, nur um einem jungen Dryfdmaenqor eine Botschaft oder ein Artefakt zu übergeben, welches unbedingt ihre fernen Verwandten im eisigen Norden erreichen soll…
Mögliche Aspekte:
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