Die Welt

Eisen im Feuer #10: La cartographie – Weltanschauung und Weltansichten Teil 1

Mit Weltanschauung und Weltansichten starten wir eine dreiteilige Serie innerhalb des Kartenprojektes die über den kartengebrauch in der Welt von Malmsturm aufschluss gibt.

Große Reiche wollen regiert und verwaltet werden – und das erfordert allerlei fundiertes Wissen, nicht zuletzt über die geographischen Gegebenheiten des eigenen und aller benachbarten Herrschaftsgebiete. Dies galt auch für das einst weltumspannende Imperium in der Welt von Malmsturm.  Doch mit dem Beginn der Ära des Exzellenten Exils wurden nicht nur die meisten historischen Aufzeichnungen vernichtet – ein Prozess, der alle paar tausend Jahre im Imperium durchaus üblich war –, sondern diesmal fielen auch alle Informationen und Aufzeichnungen über die vielfältigen Kolonien und die Länder außerhalb des Kernlandes des Imperiums den gefürchteten Bibliothekskommissaren des Imperators zum Opfer! Sogar der Neubau von Vermessungsinstrumenten und der Unterricht in den Künsten der Kartographie und der angewandten Mathematik der Vermessungsingenieure – zuvor ein Seitenzweig der hoch angesehenen, nun illegalen Gilde der Entdecker – wurde mit dem Beginn der neuen Ära untersagt.


Stimmen des Imperiums

»Also, ich selbst fasse dieses Zeug nicht an. Es gibt hier nicht genug mögliche Abnehmer, die verrückt genug sind, die Aufmerksamkeit einer Abteilung gelangweilter Kommissare des Copal auf sich zu ziehen. Aber wenn ihr diese Kiste nicht einfach in den nächsten Kanal werfen wollt, könntet ihr sie wahrscheinlich mit gutem Gewinn in Manto loswerden. Die Marmorgärten dort stehen nur Kapitänen offen, aber sie sind nicht nur eines der besten Dampfbäder und Freudenhäuser der Stadt, sonder vor allem ein diskreter Handelsplatz für lohnende Schiffsrouten, altes Kartenmaterial und gut erhaltene Navigationsinstrumente! Für eine kleine Vermittlungsgebühr könnte ich euch vielleicht ein Passwort zukommen lassen, welches euch Zugang zu den Besitzerinnen der Marmorgärten verschafft. Natürlich nur, falls ihr überhaupt interessiert seid – ach, und ihr solltet auch besser keine Scheu vor exotischen Servitoren oder gar Irrformen haben: Soweit ich weiß, sind die Zwillingsschwestern nicht so ganz menschlich …«  

Aus einem Kundengespräch von Khembyles Mun, Buchhändler und Hehler in Lyssa.


Alle nennenswerten Kolonien des Imperiums wurden zu Beginn der Ära des Exzellenten Exils verlassen, evakuiert oder schlicht sich selbst überlassen, was für die wenigen zurückbleibenden Kolonisten meist den sicheren Untergang bedeutete. Nur in der jüngsten und entferntesten Kolonie gelang es, nicht nur das Leben vieler Bewohner, sondern auch einen gewissen Teil ihres imperialen Erbes zu erhalten. Das hatte in der Waismark zur Folge, dass obschon die Mathematik und speziell das Vermessungswesen auf einen geradezu erbärmlichen Stand zurückfielen, doch viele Kopien alter imperialer Weltkarten und lokaler Karten der Waismark die dunklen Jahrhunderte nach dem Zusammenbruch überdauerten! Die Fähigkeiten zur Bewertung der Qualität solcher Karten ging jedoch verloren, was zu einer langen Tradition des strikten Kopierens des erhaltenen Materials führte. Daraus resultieren einige nicht unerhebliche Probleme und innere Widersprüche, deren Diskussion aber dank der Autorität der trisantischen Kirche, in deren Besitz sich die besterhaltenen Originale befinden, praktisch nicht stattfindet. So tauchten in den ersten Jahrhunderten nach dem Rückzug des Imperiums noch Weltkarten in verschiedenen Projektionstechniken auf, deren Unterschiede niemand mehr wirklich erklären konnte. Daher wurden ausschließlich die Plattkarten mit ihren zylindrischen Projektion als korrekt beurteilt und alle anderen Karten entweder vernichtet oder schlicht dem Zerfall preisgegeben. Die vollständigen Kopien dieser antiken imperialen Weltkarten tauchen aber nur sehr selten aus den entsprechenden kirchlichen Archiven auf. Stattdessen kursieren in der Waismark Kopien von Ausschnittsvergrößerungen dieser Weltkarten, in die man im Lauf der Jahrhunderte neue Städte und Ortsnamen eingetragen hat. Aufgrund der Nähe des alten Imperiums und vieler seiner Kolonien und Handelspartner zum Äquator waren die Verzerrungen einer Rektangularprojektion zu den Polen hin auch über den größten Teil der imperialen Geschichte kaum ein Problem. Das änderte sich erst kurz vor dem Beginn des Exzellenten Exils mit der Expansion in den Norden. So erklärt sich, warum die Mehrzahl der besonders alten Karten, die in der Kolonie aufgefunden wurden, keine der neueren, erst kurz vor Gründung der Kolonie in Umlauf kommenden Projektionsmethoden aufwiesen. Außerdem sorgen neben fehlenden mathematischen Kenntnissen auch das kaum vorhandene Straßennetz und die bescheidenen Navigationskünste der Seefahrer – welche fast nur Küstenschifffahrt betreiben – für eine hohe Toleranz gegenüber den Ungenauigkeiten auf den im Umlauf befindlichen Karten.

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